Donnerstag, 9. Dezember 2010
Mein erster Arbeitstag nach einer Woche Urlaub Jucken, Quaddeln, Schmerzen. Als ich zum Dienst kam, hat eine Kollegin erst mal Fotos von meinem geschundenen Körper gemacht. (Beweisfotos quasi, weil wenn ich zum Rheumatologen gehe, habe ich natürlich keine einzige Quaddel vorzuweisen. Klassischer Vorführeffekt.) Vollgepumpt mit den üblichen Verdächtigen habe ich den Tag recht gut überstanden. Außerdem habe ich beschlossen, dass heute der große Tag sein soll. Wozu noch warten? Es geht mir von Tag zu Tag und von Woche zu Woche schlechter. Die Erkältung ist so gut wie weg, also gibt es keinen Grund, es länger hinaus zu zögern.
Heute ist MTX-Tag!
Spritzen und Nadeln hatte ich schon mit zum Dienst genommen, damit ich gleich im Anschluss zum Arzt fahren konnte. Die letzte Stunde im Dienst war übel. Also mir war übel, aber sowas von! Und nix dagegen zur Hand - miese Organisation! Ich bin dann zuerst zu meinem Stammdealer gefahren und habe mir Kaugummis gegen Reiseübelkeit gekauft, die zum Glück auch sofort gewirkt haben. Dann zum Arzt. Die Arzthelferin hat das super gemacht (wobei ich mich allerdings etwas gewundert habe, dass das nicht der Arzt himself gemacht hat, das ist bei Verabreichung von
Zytostatika eigentlich üblich, aber gut, die werden schon wissen, was sie tun), sie hat die Lösung auf meine Bitte hin, gaaaaanz langsam eingespritzt. Vielleicht hat auch der Hinweis, ich würde ihr bei einer schnellen Injektion möglicherweise auf die Schuhe kotzen, ein bisschen was dazu beigetragen, wer weiß?
Als ich zuhause ankam, führte mein erster Weg in die Keramikabteilung und nachdem ich mir dort die Seele aus dem Leib gekotzt hatte mich dort übergeben hatte, beschloss ich, mich erst mal ein halbes Stündchen auf´s Sofa zu legen. Das war gegen 17 Uhr. Um 21 Uhr 30 wurde ich wach mit dem Gefühl, mir würde der Schädel platzen. Außerdem hatte ich so starken Schüttelfrost, dass ich es nicht schaffte, die auf dem Tisch stehenden Schmerztropfen zu nehmen. Ich konnte auch nicht aufstehen, die volle Blase musste also auch warten. Mann, ging´s mir scheiße! Ich hätte gern den Notarzt gerufen, dummerweise lag mein Telefon in der Ladestation im Schlafzimmer. Ganz miese Organisation!
Irgendwann bin ich wieder eingeschlafen und mehrmals in der Nacht aufgewacht, aber meine Lieblingsdrogen konnte ich erst in den frühen Morgenstunden nehmen. Danach ging es mir wieder einigermaßen gut.
Freitag, 10. Dezember 2010
Warum vergehen die Stunden im Büro eigentlich immer viel langsamer als die Stunden zuhause?
Ich war zwar gut präpariert, aber trotzdem ging es mir nicht besonders gut. Ich fühlte mich fiebrig und ich hatte den ganzen Tag Kopfschmerzen. Übergeben habe ich mich nur zweimal. Alles in allem war es trotzdem erträglich. Es hätte schlimmer kommen können.
Schlau, wie ich nun mal bin, habe ich beschlossen, gleich nach dem Dienst zum Friseur zu gehen. Da sich die Nebenwirkungen des MTX doch recht deutlich und schnell bemerkbar machten, dachte ich mir, es wäre vielleicht ganz schlau, die Haare gleich mal superkurz schneiden zu lassen, dann ist der Unterschied zu ganz weg nicht so groß. Nur für den Fall. Ich erklärte der Friseurin mein Problem und sie meinte, dass die Idee sehr schlau wäre. Sag ich doch! Allerdings schlug sie, um den Plan perfekt zu machen, vor, ich solle zusätzlich komplett blondieren. Dunkle Haare, helle Kopfhaut - wenn Lücke, dann leicht sichtbar. Helle Haare, helle Kopfhaut - wenn Lücke, dann nicht so leicht sichtbar. Macht Sinn. Also los.
Als die Friseurin das Handtuch von meinen Haaren Stoppeln nahm, hab ich mich, trotz Vorwarnung, tierisch erschreckt. Der Unterschied zu vorher ist so krass und ich war kurz vor Heulen. Sie meinte, es sähe toll aus und es wäre nur ungewohnt für mich. Ich solle mal ein, zwei Tage abwarten, sie wäre sicher, dass es mir dann auch gefällt. Ihr Wort in Gottes Gehörgang!
Ich habe ziemlich schlecht geschlafen in dieser Nacht. Und das nicht nur wegen des Juckens und der Schmerzen. Und ich war sicher: morgen gehe ich da noch mal hin und dann muss das umgefärbt werden!
Samstag, 11. Dezember 2010
Gegen 3 Uhr heute Morgen habe ich es nicht mehr ausgehalten und 70 mg
Prednisolon genommen. Ich hatte so sehr gehofft, dass es ohne gehen würde, dass die Wirkung von MTX möglichst rasch, vielleicht schon in ein, zwei Monaten eintreten würde und ich es bis dahin ohne aushalten könne. Aber es geht nicht. Ich bin dann gleich wieder eingeschlafen und als ich aufwachte, waren nicht nur Quaddeln und Juckreiz weg sondern ich war auch weitgehend schmerzfrei. Ein Teufelszeug! Scheiß auf die zusätzlichen 5 bis 10 Kilo auf mein derzeitiges Übergewicht von 20 Kilo ...
Als ich im Bad am Spiegel vorbei kam, blieb mir die Luft weg. Das hatte ich ja ganz vergessen! Ich seh so anders aus ... so ... fremd. Ok. Duschen, anziehen und ab zum Friseur. Als ich fertig war, angezogen, geschminkt und mit einer anderen Brille als der, die ich tagtäglich trage, war ich sehr überrascht. Hm ... sieht eigentlich gar nicht so übel aus ... natürlich komplett anders als vorher ... aber nicht übel. Ich bin dann in die Stadt zum Einkaufen gefahren und habe absichtlich keine Mütze angezogen. Zu Testzwecken. Niemand hat blöd geguckt, niemand hat eine blöde Bemerkung gemacht, also kann es soooo schlimm auch nicht sein. Am Montag im Büro werden alle umfallen ...
Bevor ich es vergesse: Nein, es gibt kein Foto ... jedenfalls noch nicht.